Tuesday, February 26, 2008

„You had a bad day...“

Letzten Sonntag hatte ich einen schlechten Tag. Unausgeschlafen und übel gelaunt schlich ich ziellos durch die Wohnung und um meinen Kühlschrank. Am späten Nachmittag, nachdem ich zum fünften Mal den Anfang von „Im Himmel Tango“ gelesen habe, ohne verstanden zu haben, was die Autorin sich unter „ feurigen ochos“ vorstellt, legte ich das Buch beiseite.
Wäre ich doch zu Hause geblieben. Beim sechsten Mal hätte es definitiv geklappt.
Stattdessen bin ich ins Auto gestiegen.
Der Salon war voll, aber als ich mich umsah, konnte ich nur wenige bekannte Gesichter ausmachen. Menschen saßen in größeren Gruppen, lachten und unterhielten sich laut. Ich hatte das Gefühl, in eine fremde Party reingeplatzt zu sein.

Als ich mir die Schuhe überstreifte, verklangen die letzten Töne von „Pensalo bien“. Danach kamen – der Reihe nach: „El llorón“, „Plano Secuencia", ein obskures serbisches Lied, „Prepárense“, „Nothing else matters“... ach ja, habe ich schon mal erwähnt, dass “Yersterday“ mittlerweile offiziell zum Tango-Repertoire gehört?
Ich hopste ein wenig mit einem älteren Herrn, der mir gleichzeitig davon berichtete, dass er dieses Wochenende einen „Salsa-Workshop für Junggebliebene“ organisieren durfte. Er hatte blütenweiße Hose an und bestand darauf, dass ich bei pasada mit meinem Fuß an seinem Hosenbein entlang gleite, aber gründlich bitte, „so rrrrrrichtig mit Leidenschaft! Ja, junge Dame, so ist es richtig, macht Spaß, oder?“
Dann hat mir ein Kerl aufgelauert, dem ich vorher konsequent aus dem Weg gegangen bin. Anfangs glaubte ich mich auf der Toilette retten zu können. Aber als ich raus kam, stand er draußen vor dem Stand mit Flyern. „Magst Du tanzen?“ Als ich stumm den Kopf schüttelte, sagte er hoffnungsfroh „Macht nichts, ich komm dann später zu Dir“.
Und er tat wie versprochen, setzte sich zu mir und unterhielt mich solange, bis ich sagte: “Wollen wir
vielleicht jetzt tanzen?“
Hätte ich doch den Mund gehalten.
Über die nächsten zehn Minuten habe ich wenig zu berichten, was wohl
daran liegt, dass ich einen Blackout hatte.
Was mir
allerdings in Erinnerung blieb, war eine ganz komische Bewegung, die er mit seinem linken Fuß machte. Erst halbmondig am Boden und dann mit einem Zuck schräg nach links und in die Höhe. Als versuchte er einen kleinen, aber sehr blutrünstigen Terrier wegzuschütteln. Dabei sah er sehr inspiriert aus, als wäre er gerade dabei, tango argentino zu revolutionieren. Zudem navigierte er mich aus der sicheren Entfernung mit den Fingerkuppen seiner rechten Hand. Vielleicht wollte er einfach nur meine Rippen zählen.
Als „Milonga de mis amores “einsetzte, fing er sofort an, mich fieberhaft nach links und rechts zu drehen mit der Hingabe eines Ölbohrers, der sich um einen Gastauftritt
in der Fortsetzung von „There will be blood“ bewirbt.
Ich blickte ihn fassungslos an, worauf er fröhlich entgegnete: „Ach, dein Rock schwingt doch so schön!“…
Und erst am Ende des Abends kam ein Freund herein. Zu diesem Zeitpunkt hat sich meine Achse endgültig verabschiedet, meine Ballen schmerzten, ich sah wie ein gerupftes Huhn aus. Er nahm mich in den Arm und flüsterte mir was ins Ohr. Seine Worte glätteten meine aufgerauten Feder zurecht.

Aber ich verrate nicht, was er mir gesagt hat.

9 comments:

yy said...

Ach, es beruhigt mich ungemein, dass es dir mit "Im Himmel Tango" genauso geht wie mir. Ich habe diverse Anläufe gestartet und das Buch liegt erwartungsfreudig hier, aber ich kann mich nicht entschließen, es auch nur noch einmal anzufassen :( Woran liegt das??
______

Man müsste früher auf sein Bauchgefühl hören und *rechtzeitig* NEIN oder GENUG sagen. Ich bin noch immer zu oft zu höflich. Gut, dass es dann die Freunde gibt!

msHedgehog said...

After my very first one or two milongas I got good at being a bit sharp to people who try to instruct me on the dancefloor. I've only regretted it once, that I remember, and I no longer truly regret that one. I'm sure he got over it, and it's no great loss if he doesn't dance with me again.

It's just not worth putting up with it. And presumably the men talk to each other as we do, so once you have made it clear a few times that you do not wish to be taught on the floor, it might happen less often.

La Tanguerita said...

Caren,
Ich glaub' es liegt daran, dass das Buch grottenschlecht ist:-))
Seien wir doch ehrlich: ein gutes Buch über tango is yet to be written.
ja, die gute alte Kinderstube, die verfolgt uns ans Ende unserer Tage, nicht? Ich versuche immer aufs Neue zu lernen, wie man "nein" sagt.

La Tanguerita said...

I’m still in a process of learning how to. Sometimes I just cut the tanda short. Once I tried to tell a guy to give me a break and just stop talking, (I was perfectly polite) and he got really nasty and very loud. Everyone around seemed to be staring at us. I was embarrassed beyond imagination. Once bitten, twice shy, I guess.

msHedgehog said...

My word! It astonishes me how some people behave. It's totally rational and sensible to avoid confrontation. There's always the risk that someone is really that stupid, and thinks it's ok to lecture a lady on the dancefloor.

The only way I can think of to defend yourself against that without actually escalating is by staring at him like he's lost his mind. Which he has. But some faces are better at transmitting a look of silent contempt than others. Mine is fairly effective.

That's never happened to me yet. But consider that nobody can have been looking at you; he was loudly advertising his own bad manners and stupidity.

The way I deal with incessant talking is just to smile and not answer at all. I did this with a guy who won't stop chatting, and eventually he said something like "you don't talk much" and I said "I do find it much harder." I think that was how it went. Then he stopped. I don't think he's asked me again, but that's pretty much the ideal outcome for both of us.

Another one I've used is to pretend that I can't hear what he's saying over the music.

If it's someone who doesn't know you, you can also pretend that you're Estonian or something and don't speak the language very well.

I've only had to thank someone after two songs once. He was throwing me around so much it was physically hurting me, and I wasn't skilled enough yet to compensate or take evasive action.

Traumstein said...

Ich habe das Buch gelesen. Mir hat es gefallen. Ich habe zwar auch nicht gleich verstanden, um was es geht, es ist ja Mehrschichtig aufgebaut, fand es dann aber letztendlich zauberhaft und interresant zugleich. Ich habe es allerdings im Urlaub gelesen. Da hat man sowieso einen längeren Atem...

La Tanguerita said...

MsHedgehog,
Next time it happens to me (you see,there’s nothing like being optimistic) I’ll try out the “you must have lost your mind” smile. Hope it works :-)

La Tanguerita said...

Traumstein,
Ehrlich gesagt, fand ich den Ton des Buches sehr gekünstelt. Es mag natürlich auch an der Übersetzung gelegen haben, aber ich bin immer noch der Ansicht, dass die Autorin sich dem magischen Realismus verhaftet fühlt, schafft es aber nicht, an die große Tradition anzuknüpfen.

msHedgehog said...

Oooh no! Don't smile!

The look is "You're an idiot, who do you think you are? If I want teaching I'll pay you", just without actually uttering the words out loud.

You could try imagining you're a grand lady out of Jane Austen (or Oscar Wilde). And he has committed Ungentlemanly Conduct and a Breach Of Good Manners. You can practice it at home. And because you don't actually say anything out loud, it's difficult for him to escalate it.